Liebe Gartenfreundinnen und Gartenfreunde,

 

ich muss mich bei euch entschuldigen. In den letzten Monaten lief bei uns nicht alles so su­per und es fiel mir schwer, weitere Texte zu verfassen, um die B.z.E.a.S.i.W. bei Lau­ne zu halten.

 

Aber neulich habe ich einen Superhelden-Film gestreamt: „Wakanda for­ever“. Da sah die Welt plötzlich wieder ganz anders aus! Die Superkräfte der Heldenfi­gur ent­stammen der Einnahme einer leuchtenden Edelpflanze, die geheimnis­voll im Dunk­len ge­deiht. Auch die Heldenausstattung ergibt sich aus den phantasti­schen Mög­lichkeiten ei­nes außerirdischen Supermetalls, das natürlich alle ha­ben wollen. Also alles so richtig aus dem Leben gegriffen! Wie auch das Titel gebende Land Wakanda: Hier sind die Bewohner scheinbar hoffnungslos rückständig, tragen folkloristi­sche Klei­dung und nutzen altertümli­che Handgeräte. In Wahrheit ist das aber alles nur Tar­nung, jedes ver­meintliche Old-School-Ac­cessoire eigentlich raffiniertes High-Tec und das König­reich der modernste Staat der Welt überhaupt! Da ist mir doch gleich wieder Waldesg­rün ein­gefallen.

 

Wenn ich jetzt so mit frischem Blick durch unsere Kolonie streife, erkenne ich als neue Drei­faltigkeit der modernen Kleingartenausstattung: Trampolin, Pool und HOCHBEET. Und mir geht so einiges wieder durch den Kopf.

 

Bislang bin ich immer davon ausgegan­gen, dass Kleingärten aus der Tradition der Selbstversorgung heraus zwingend etwas mit Gärtnern zu tun haben. Es gehe also um Erde, Saatgut, Pflanzen, Kompost, Wasser, Werkzeug, Beob­achtung, Arbeit und Wissen über Rhythmen, Wetter und Pflanzenrelatio­nen. Alles in einem Kleingarten habe dabei eine tiefe Verbindung zum Erdreich oder die­ne deren Nutzung. Bei den drei genannten Trend-Insignien ist das aber überhaupt nicht der Fall. Hier gibt es kei­nerlei Verbindung zur Scholle, sie stehen zwar in einem Garten, genau genommen aber nur darauf. Hüpfspielzeuge und Wasserbecken sind dabei ein­deutig der Erholung dienender Freizeit­spaß und haben mit dem Gärtnern soviel zu tun wie ergänzende Elektro-Lastenrä­der mit einem ernsthaften Die-Welt-Retten. Bei Hochbeeten hingegen sieht das völlig anders aus. Sie sa­gen eindeutig: „Seht nur her, ich bin ein Gärtner!“, und verkörpern offensichtlich eine schwer angesagte Form von Garten-Kultur, ja Gar­ten-Luxus. Aber warum das Ganze?

 

Als Wladimir Kaminer seine Erfahrungen als Kolonie-Novize beschrieb, war Kleingärtne­rei für ihn vor allem der Anblick hoch aufragender Hinterteile bei der Beetarbeit. Das hat sich mittlerweile geändert. Ein moderner Kleingärtner, der diese Bezeichnung verdient, arbeitet im Stehen. Liegt am Alter, dem Rücken und so. Und weil die Gleitsichtbrille zu­nehmend nervt, sind Gartenwerkzeuge an Stielen mittlerweile auch keine Lösung mehr. Man sieht ja nicht wirklich, was in 140 cm Entfernung so eigenhändig weggejätet wird. Deshalb also muss die Pflanzsohle heute zwingend näher ran an den Helden der Geschichte. Soviel zur halbwegs befriedigenden Antwort der hippen Arbeitsergonomie. Ab jetzt aber werden die Erklärungen zur Frage Warum Hochbeet? immer dubioser und nähren zunehmend mei­nen großen Verdacht.

 

Denn natürlich sind der fachgerechte Aufbau und die Schichtstärken einer echten Hoch­beet-Füllung nicht so viel anders als beim klassischen Hügelbeet, der arbeitstechnische Hö­hengewinn im Vergleich nicht so gewaltig. Und natürlich sind viele Hochbeete in Relation zur möglichen Nutzfläche eines Kleingar­tens ei­gentlich lächerlich klein. Aber mit einem Hochbeet zeigt man durch seine Expo­niertheit und eben die Höhe schon eine gewis­se Form von Tischkultur. Wenn wir vor­nehm essen, hocken wir ja auch nicht auf dem Bo­den. Das Hochbeet ist so gesehen wie eine opulente Torte neben Blechkuchen: Macht was her, sagt aber nichts über Ge­schmack und Konsis­tenz, ge­schweige denn die Handwerks­kunst der Konditormeisterin. Da kenne ich mich aus. Schlimmstenfalls ist das alles nur Blendwerk oder eben Tarnung: Wer als pflichtbewusster Kleingärtner eigentlich gar nicht gärt­nern will, zeigt mit einem Hochbeet zumindest seinen guten Willen, aber der sieht wirklich fantastisch aus.

 

Mich treibt insgeheim ein noch viel tiefgreifender Gedanke um: Was, wenn die großen massiven Hochbeet-Kästen tatsächlich in der unteren Hälfte hohl und in Wahrheit getarnte Dunkel­kammern zum An­bau eines gewissen leuchtenden Edelkrautes für Superkräfte sind: 'High-Tec' wie in Wakanda? Dann ergäbe sich sogar der vertrackte Fall einer doppelten Tarnung in Waldesgrün: Super­helden tun so, als ob sie Kleingärtner seien, die wiederum so tun, als ob sie Gärtner sei­en. Da muss ich mal kurz zwinkern und mir die Augen reiben. Dann wäre ja gar nichts mehr so wie es scheint! Mein lieber Scholli...

 

Wer übrigens gänzlich unverdächtigende Berichte zu unserem Flohmarkt, dem Tag der Of­fenen Pforte im Bienengarten oder zum ­Wegefest vermisst hat, der schaue nun einfach auf un­sere Website Kleingaertnerverein-waldes­gruen.de. Da ist einiges nachgetragen und wird ergänzt. Und wer wie ich die Existenz von Superhelden in der Kolonie weiterhin aufde­cken will, der behalte diese höchst verdächtigen Hochbeete ab jetzt mal schön im Auge.

 

Waldesgrün forever!

 

Eure Julia vom Waldesgrün