Liebe Gartenfreundinnen und Gartenfreunde,

 

 

 

bestimmt haben unsere geheimen Superhelden in Waldesgrün auch irgendwann einmal schlicht den Blues. Genau wie wir hängen sie dann einfach nur durch, müssen stän­dig zwin­kern, vergessen, ihr Kostüm zu bügeln, leiden an Depressionen und vernachläs­sigen ne­ben ih­rer ständigen Mission der Weltenrettung sogar noch das Aller-Allerwichtigs­te: ihren Schreber­garten.

 

 

 

Das könnte indes gefährlich werden.

 

 

 

Vielleicht haben sie ihren Garten ja mal genau so naiv übernommen wie wir: gedacht als simple Umzäunung einer sicheren Tummelfläche für Kleinkinder, auf der man nicht die anderen Eltern von der Spielplatzbank ertragen muss. Da steht dann alles mögliche in den Papieren bei der Vertragsunterzeichnung, das einen momentan null interessiert, später aber im­mens wichtig wird: Regeln!

 

 

 

In einer Gemeinschaft geht es immer wieder um Regeln und deren Einhaltung. Da findet sich auch ein gut getarnter Waldesgrüner Superheld als Pächter und Vereinsmitglied in einem unsichtbaren Labyrinth, aus dem es kein Entkommen gibt: Halte deine Wegab­schnitte ungrün und die Hecken ma­ßig - baue auf mindestens einem Drittel der Garten­fläche Obst und Gemüse an - entneh­me nur Wasser, wenn es erlaubt ist - benutze die amtlich eingebaute Toilette - habe und errichte keine Gebäude, die nicht irgendwo ge­nehmigt in den Akten stehen - ent­ferne alle unzulässigen Sträucher, Bäume und Gebäud­eteile - respektiere die Ruhezei­ten - kokel nicht rum - komm zur Gemeinschafts­arbeit - hilf bei Vereinsveranstaltungen - lies die Zei­tung des Bezirksverban­des - kurz: sei ein ech­ter Kleingärtner und zeige dich und deinen Garten allzeit einsichtig!

 

 

 

Manchmal ist der Blick jedoch verstellt. Ignoranz des Regelwer­kes. Dann kommen früher oder später Kontrollen, Mahnun­gen, Aufla­gen. Und die Betroffe­nen reagie­ren ziemlich menschlich, also meistens emotio­nal. Die einen verfal­len in Trau­er über die Ungerechtig­keit der Welt, schlurfen mit gesenktem Kopf durchs Le­ben und verlieren schlicht die Lust auf alles. Bei anderen hin­gegen regt sich Wut und Hass.

 

 

 

Superhelden hadern sowieso ständig mit dem Schicksal. Das hat mit ihrer individuellen Herkunftsgeschichte, den Superkräften und der Aufspaltung in zwei Identitäten zu tun. Aber wer als Übermensch beständig außerordentliche Dinge tun kann, erkennt und ak­zeptiert vielleicht irgendwann keinerlei Regeln und Grenzen mehr. Dann ist das Aller­-Allerschlimmste nicht mehr weit: der Schritt vom Superhelden zum Superschurken!

 

 

 

Diese Vorstellung macht mir wirklich Angst. Epische Schlachten könnten über uns her­einbrechen. Der Himmel würde sich verdunkeln und durch bösartige Superkräft­e buch­stäblich alles Liebenswerte zerstört. Waldesgrün würde ausgelöscht!

 

 

 

Soweit dürfen wir es nicht kommen lassen. Angeschlagene Superhelden mit dem Blues können wir als hilfsbereite Gartengemeinschaft bestimmt jederzeit wieder aufrichten. Aber wie begeg­nen wir jenen Kräfteträgern, die durch negative Emotionen tiefgrei­fend verän­dert wer­den? Durch schlappe Appelle an die Sinnhaftigkeit der Regeln? Durch rationale Argu­mente pro Aufrechterhaltung ihrer Tarnung als Kleingärtner?

 

 

 

Ich denke, wir sollten allen abgründigen Emotionen wie Wut und Hass etwas gänzlich ande­res ent­gegen setzen. Wir sind doch Gärtner! Als solche erkennen wir im Kleinen das Gro­ße, im Großen das Kleine und fragen uns immer wieder, worum es in unserem Gar­ten wie in unserem Leben eigentlich wirklich geht:

 

 

 

Neulich habe ich in unserem Garten eine kleine Blume entdeckt, die ich noch nie zuvor gesehen hatte. Sie sah wunderschön aus.

 

 

 

Weil ich sie nicht pflücken wollte, habe ich mich bäuchlings zu ihr auf die Erde gelegt, die Augen geschlossen und vorsichtig an ihrer Blüte geschnuppert: Der betörendste Duft, den ihr euch vorstellen könnt!

 

 

 

Seelig habe ich meinen Kopf zu ihr ins Gras gebettet, langsam meine Arme ausge­breitet und dann die ganze Welt umarmt.

 

 

 

Eure Julia vom Waldesgrün